Fried­lich ver­eint im Welt­all

Didier Maroua­ni zählt zu den Pio­nie­ren der elek­tro­ni­schen Pop­mu­sik. 1977 lan­det sei­ne Band SPACE mit ihrem ers­ten Album einen ech­ten Hit. »Magic Fly« treibt rund um den Erd­ball die Meschen auf die Tanz­flä­chen. Von Dezem­ber 1986 bis Juli 1987 pro­du­ziert Maroua­ni sein ambi­tio­nier­tes­tes Werk. Auf »Space Ope­ra« bringt der Fran­zo­se den Chor des Alex­an­d­row Ensem­bles (UdSSR) und den Havard Uni­ver­si­ty Glee Club Choir (USA) zusam­men. Um die Sym­bol­kraft die­ses inter­na­tio­na­len Pro­jek­tes noch zu stei­gern, star­tet die­se ers­te Oper für Chor­ge­sang und Syn­thes­hi­zer mit einer sowje­ti­schen Rake­te ins All. Auf der Raum­sta­ti­on MIR erlebt das neue Medi­um CD mit »Space Ope­ra« sei­ne Welt­all­pre­mie­re.

L’italiano

Im Febru­ar 1964 begibt sich das Alex­an­d­row Ensem­ble erst­mals auf Tour­nee nach Ita­li­en. Unter Arbei­tern, Intel­lek­tu­el­len, Kunst- und Kul­tur­schaf­fen ist in jenen Jah­ren ein kom­pro­miss­lo­ser Anti­fa­schis­mus in Ita­li­en fest eta­bliert und die kom­mu­nis­ti­sche Par­tei ist eine der stärks­ten in West­eu­ro­pa. Mit dem Alex­an­d­row Ensem­ble wer­den so immer auch die Sie­ger des II. Welt­krie­ges und die ver­meint­li­chen Sie­ger der Geschich­te gefei­ert. Die künst­le­ri­sche Akzep­tanz über­dau­ert den Zer­fall der Sowjet­uni­on und den Nie­der­gang der ita­lie­ni­schen Lin­ken. Im Jahr 2009 geht der Sän­ger Toto Cotug­no mit dem Ensem­ble in Russ­land auf Tour. Beim Fes­ti­val in San­re­mo tre­ten sie 2013 gemein­sam auf. Im Jahr 2016 hin­dern den ita­lie­ni­schen Sän­ger ander­wei­ti­ge Ver­pflich­tun­gen dar­an, mit dem Alex­an­d­row Ensem­ble die rus­si­schen Trup­pen in Syri­en zu besu­chen. Um so mehr ist er scho­ckiert, als er vom tra­gi­schen Unglück sei­ner Freun­de erfah­ren muss.

Alex­an­d­rows Meis­ter­stück

Mit Beginn des Kriegs­jah­res 1944 wur­de eine neue sowje­ti­sche Natio­nal­hym­ne ein­ge­führt. Die Kom­po­si­ti­on Alex­an­der Alex­an­d­rows basier­te auf der Hym­ne der Kom­mu­nis­ti­schen Par­tei, die bereits seit 1938 im Gebrauch war. Auf Wei­sung Josef Sta­lins adap­tier­te Alex­an­d­row das kraft­vol­le Werk. Der patrio­ti­sche Text von Ser­gej Mich­al­kow (19132009) und Gabri­el El-Registan (18991945) hul­dig­te nicht nur dem frei­en Wil­len der ver­ein­ten Völ­ker, son­dern auch Lenin, Sta­lin und der sieg­rei­chen Roten Armee. Erst 1977 wur­de Sta­lin durch eine über­ar­bei­te­te Text­fas­sung Mich­al­kows aus der Hym­ne getilgt. Mit dem Ende der Sowjet­uni­on wur­de 1991 auch die Natio­nal­hym­ne außer Dienst gestellt. Im Jahr 2001, in Wla­di­mir Putins ers­ter Amts­zeit, wur­de aus Alex­an­der Alex­an­d­rows Hym­ne der Sowjet­uni­on die Hym­ne der Rus­si­schen Föde­ra­ti­on. Ser­gej Mich­al­kow selbst pass­te den Text ein letz­tes Mal der neu­en Zeit an. Seit­her ver­traut die Rus­si­che Natio­nal­hym­ne auf Got­tes Bei­stand und nicht mehr auf Lenin, der den Weg erleuch­tet. Trotz all die­ser Wech­sel­fäl­le der Geschich­te blieb eines unver­än­dert – Alex­an­der Alex­an­d­rows Musik. Macht­voll, selbst­be­wusst und zutiefst emo­tio­nal reprä­sen­tiert sie die kul­tu­rel­le Iden­ti­tät einer gan­zen Nati­on. Seit dem Jahr 1944 ist die Hym­ne ein fes­ter Bestand­teil im Reper­toire des Alex­an­d­row Ensem­bles.

Ber­lin 1985

Am 19. Mai 1985 gab das Alex­an­d­row Ensem­ble ein wei­te­res Mal bei strah­len­dem Son­nen­schein vor 50.000 begeis­ter­ten Zuschau­ern ein Kon­zert in der his­to­ri­schen Mit­te Ber­lins. Wie schon im August 1948, wur­de auch dies­mal die Büh­ne vor dem Schau­spiel­haus errich­tet. Der Platz der Aka­de­mie (heu­te wie­der Gen­dar­men­markt) hat­te sich seit damals jedoch sehr ver­än­dert. Die letz­ten Rui­nen des Krie­ges waren rings­um ver­schwun­den. Das Schau­spiel­haus, der Deutsche- und der Fran­zö­si­sche Dom wur­den im Jahr zuvor nach lan­ger Rekon­struk­ti­on wie­der­öff­net. Das Alex­an­d­row Ensem­ble war noch immer für vie­le eine Attrak­ti­on, aber die »Tage der Sowje­ti­schen Kul­tur« hat­ten immer auch einen offi­zi­el­len Cha­rak­ter, waren staat­lich orga­ni­sier­te Unter­hal­tung, aller­dings durch einen Staat, von dem sich immer mehr Bür­ger inner­lich abwand­ten. Sowohl in der Sowjet­uni­on als auch in der DDR lag Ver­än­de­rung in der Luft. Als zwei Jah­re spä­ter erst­mals ein Kon­zert mit Bob Dyl­an im Trep­tower Park inse­riert wur­de, waren 81.000 Kar­ten im Hand­um­dre­hen aus­ver­kauft. Die eupho­ri­sche Men­ge muss­te lan­ge war­ten, bis end­lich ein übel­lau­ni­ger Sän­ger erschien und nach einem kur­zen, lust­lo­sen Pro­gramm wie­der gruß­los ver­schwand. Das Alex­an­d­row Ensem­ble wur­de 1985 ganz sicher nicht als pro­gres­si­ver Teil der Jugend­kul­tur wahr­ge­nom­men, aber das Publi­kum durf­te sicher sein, unter Boris Alex­an­d­rows Lei­tung mit­rei­ßen­de Künst­ler in Höchst­form zu erle­ben.

A pro­gram to win Ame­ri­can audi­en­ces

Am 12. Sep­tem­ber 1989 star­tet das Alex­an­drof Ensem­ble in New York eine Nordamerika-Tour. Neben Que­bec, Toront, Mont­re­al, Van­cou­ver und Otta­wa in Kana­da ste­hen erst­mals auch die gro­ßen Metro­po­len der USA auf dem Pro­gramm. In Washing­ton lässt es sich Prä­si­dent Geor­ge Bush nicht neh­men, die kul­tu­rel­len Bot­schaf­ter des Frie­dens per­sön­lich zu tref­fen. Es ist eine Zeit des Wan­dels. Der Kal­te Krieg scheint ein ver­söhn­li­ches Ende zu fin­den. In aller Welt wächst die Hoff­nun­gen, auf eine fried­li­che­re Welt. Mit der Spra­che der Musik, leis­tet das Alex­an­d­row Ensem­ble auch in die­ser gesell­schaft­li­chen Umbruchs­pha­se sei­nen Bei­trag zu gegen­sei­ti­ger Ver­stän­di­gung und Akzep­tanz.

Am Brenn­punkt des Zeit­ge­sche­hens

Das 20. Jahr­hun­dert ist geprägt von zwei ver­hee­ren­den Welt­krie­gen, revo­lu­tio­nä­ren Umwäl­zun­gen, dem Zusam­men­bruch der Kolo­ni­al­rei­che und nach­fol­gen­den Kon­flik­ten, in denen sich zwei poli­ti­sche Sys­te­me in unver­sön­li­chen Blö­cken gegen­über stan­den. Das Alex­an­d­row Ensem­ble hat die­se Front­li­nie immer wie­der über­wun­den. Die sowje­ti­schen Künst­ler waren auf bei­den Sei­ten des Eiser­nen Vor­hangs popu­lär. In geschichts­träch­ti­gen Momen­ten stan­den sie nicht nur auf der Büh­ne, son­dern oft genug auch mit­ten im poli­ti­schen Zeit­ge­sche­hen. Die­ses his­to­ri­sche Pres­se­fo­to zeigt Musi­ker des Ensem­bles bei einem Auf­tritt am 21.7.1947 vor hoch­ran­gi­gen US-amerikanischen und sowje­ti­schen Ver­hand­lungs­de­le­ga­tio­nen in Pjöng­jang, Korea.

Stil­les Geden­ken

Vor einem Jahr, am 25. Dezem­ber 2016, stürz­te eine rus­si­sches Flug­zeug kurz nach dem Start ins Schwar­ze Meer. Es gab kei­ne Über­le­ben­den. An Bord waren auch 64 Sän­ger, Tän­zer und Musi­ker des Alex­an­d­row Ensem­bles auf dem Weg zu einem Weih­nachts­kon­zert in Syri­en. Die­ses Unglück war eine Zäsur in der lan­gen Geschich­te des Ensem­bles. Wäh­rend Hun­dert­tau­sen­de in aller Welt die Toten betrau­er­ten, dar­un­ter Künst­ler­kol­le­gen wie Karel Gott, Mireil­le Mathieu, die Lenin­grad Cow­boys und der New Yor­ker Schil­ler Insti­tu­te Cho­rus, war die Bericht­erstat­tung in den west­li­chen Medi­en auf­fal­lend kühl und zuwei­len beschä­mend. Noch am glei­chen Abend wur­de der Schick­sals­schlag von der ARD-Tagesschau zu einer per­sön­li­chen Nie­der­la­ge Wla­di­mir Putins erklärt. Das fran­zö­si­sche Maga­zin »Char­lie Heb­do«, dem nach einem blu­ti­gen Anschlag selbst inter­na­tio­na­le Anteil­nah­me zu Teil gewor­den war, fand in der Tra­gö­die einen will­kom­me­nen Anlass, sei­nen bekann­ter­ma­ßen geschmack­lo­sen Humor noch ein­mal selbst zu unter­bie­ten.

Der hei­li­ge Krieg – Frie­den der Welt

Ernst Busch – Sän­ger, Schau­spie­ler und Regis­seur – war Zeit sei­nes Lebens ein poli­ti­scher Mensch – an der Sei­te der Roten Bri­ga­den in Spa­ni­en, im Exil nach 1933 und auch noch nach zwei­jäh­ri­ger Gestapo-Haft. In der DDR war er einer der Gro­ßen, eck­te an und mach­te schließ­lich mit ihr sei­nen Frie­den. Als Sän­ger poli­ti­scher Lie­der war er eine Instanz, hoch deko­riert und den­noch glaub­wür­dig durch sei­ne Bio­gra­phie. 1967 publi­zier­te er »Der hei­li­ge Krieg – Frie­den der Welt – Eine Chro­nik in Lie­dern, Bal­la­den und Kan­ta­ten aus der ers­ten Hälf­te des 20. Jahr­hun­derts«. Zum Gesang des Alex­an­d­row Ensem­bles rezi­tiert Ernst Busch mit sei­ner macht­vol­len Stim­me »Der Hei­li­ge Krieg« in deut­scher Fas­sung von Ste­phan Hermlin, jenes Lied von Alex­an­der Alex­an­d­row, dass zur Hym­ne des Sie­ges über den deut­schen Faschis­mus wur­de.

Tauch­sta­ti­on

Klaus Dol­din­ger hat mit sei­ner Titel­mu­sik zu Wolf­gang Peter­sens Film „Das Boot“ 1981 eine weit­hin bekann­te und unver­gess­li­che Film­mu­sik erschaf­fen. Weit­ge­hend unbe­kannt ist jedoch, dass das Alex­an­d­row Ensem­ble in die­sem Film einem popu­lä­ren, aber längst in Ver­ges­sen­heit gera­te­nem, iri­schen Lied wie­der neu­es Leben ein­ge­haucht hat. »It’s a long way to Tip­pera­ry«, geschrie­ben 1912 von Jack Judge, war eines der belieb­tes­ten Sol­da­ten­lie­der wäh­rend des 1. Welt­krie­ges. Das Ensem­ble fei­er­te damit bereits bei sei­nem ers­ten Gast­spiel in Lon­don, 1956, gro­ße Erfol­ge.

Songs For Free Men

Paul Robe­son, am 9.April 1898 als Sohn eines ehe­ma­li­gen Skla­ven gebo­ren, ist nicht nur als Sän­ger, Schau­spie­ler und spä­te­rer Men­tor Har­ry Bela­fon­tes bekannt, son­dern, durch die Kon­fron­ta­ti­on mit Ras­sen­dis­kri­mie­rung geprägt, auch als enga­gier­ter Bür­ger­recht­ler. Ant­wor­ten suchend, führ­te ihn sein Weg auch in die Sowjet­uni­on der 30iger Jah­re, die er fort­an mehr­fach besuch­te. Die Sym­pa­thie mit den Kom­mu­nis­ten bescher­te ihm in sei­nem Hei­mat­land USA wäh­rend der McCarthy-Ära Auf­tritts­ver­bo­te und den Ent­zug des Rei­se­pas­ses. Erst 1959 besuch­te er erneut die UdSSR und sang sich mit sei­ner unver­wech­sel­ba­ren Bass-Stimme und dem Lied „The Song About Mother­land“ in rus­si­scher Spra­che zusam­men mit dem Alexandrow-Ensemble in die Her­zen der Sowje­tür­ger. Das Lied hat­te er auf sei­nem Album „Songs For Free Men“ 1942 bei Colum­bia Records auf­ge­nom­men.