Am 19. Mai 1985 gab das Alexandrow Ensemble ein weiteres Mal bei strahlendem Sonnenschein vor 50.000 begeisterten Zuschauern ein Konzert in der historischen Mitte Berlins. Wie schon im August 1948, wurde auch diesmal die Bühne vor dem Schauspielhaus errichtet. Der Platz der Akademie (heute wieder Gendarmenmarkt) hatte sich seit damals jedoch sehr verändert. Die letzten Ruinen des Krieges waren ringsum verschwunden. Das Schauspielhaus, der Deutsche- und der Französische Dom wurden im Jahr zuvor nach langer Rekonstruktion wiederöffnet. Das Alexandrow Ensemble war noch immer für viele eine Attraktion, aber die »Tage der Sowjetischen Kultur« hatten immer auch einen offiziellen Charakter, waren staatlich organisierte Unterhaltung, allerdings durch einen Staat, von dem sich immer mehr Bürger innerlich abwandten. Sowohl in der Sowjetunion als auch in der DDR lag Veränderung in der Luft. Als zwei Jahre später erstmals ein Konzert mit Bob Dylan im Treptower Park inseriert wurde, waren 81.000 Karten im Handumdrehen ausverkauft. Die euphorische Menge musste lange warten, bis endlich ein übellauniger Sänger erschien und nach einem kurzen, lustlosen Programm wieder grußlos verschwand. Das Alexandrow Ensemble wurde 1985 ganz sicher nicht als progressiver Teil der Jugendkultur wahrgenommen, aber das Publikum durfte sicher sein, unter Boris Alexandrows Leitung mitreißende Künstler in Höchstform zu erleben.